Insektensterben

Hainschwebfliege
Hainschwebfliege

Insektensterben: Was ist das?
Der Entomologische Verein Krefeld – eine Gruppe ehrenamtlich und nach anerkannten wissenschaftlichen Standards arbeitender Insektenforscher – hat über 27 Jahre an 69 Standorten in NRW, Rheinland-Pfalz und Brandenburg Fluginsekten mit Netzfallen gefangen. Dabei wurde festgestellt, dass das Gesamtgewicht der gefangenen Insekten kontinuierlich abgenommen hat: Im Mittelwert aller Standorte um 75% innerhalb des 27-jährigen Beobachtungszeitraums. Da vor allem die großen Insekten wie Schmetterlinge oder Bienen deutlich weniger geworden sind, bedeutet ein 75%-iger Rückgang der Biomasse nicht gleichzeitig eine Abnahme der Zahl der Insekten in gleicher Größenordnung. Die Netzfallen – sog. Malaise-Fallen – wurden überwiegend in Naturschutzgebieten aufgestellt, so dass ganz direkte negative Einfüsse der nahen Umgebung nicht ausschlaggebend sein können. Auch klimatische Gründe dürften als Ursache des Bestandseinbruchs ausscheiden, denn eine Erwärmung nutzt Insekten eher als das sie ihnen schadet. Die Ergebnisse der Krefelder Insektenkundler wurden inzwischen durch andere Untersuchungen bestätigt, allerdings gibt es nur wenige Untersuchungen über einen derart langen Zeitraum.

Warum gibt es immer weniger Insekten?
Exakt ist die Frage nach den Ursachen bisher nicht zu beantworten. Aber über den Hauptverursacher herrscht in der Wissenschaft weitestgehende Einigkeit: Es ist die Landwirtschaft und zwar in mehrerlei Hinsicht. Die meisten Insekten sind direkt oder indirekt auf Pflanzen angewiesen. Entweder weil sie sich von Nektar, Pflanzensaft oder bestimmten Pflanzenteilen ernähren oder weil sie als räuberische Insekten andere Insekten fressen. Die meisten Insekten sind spezialisiert auf bestimmte Pflanzen oder Pflanzenfamilien und wenn diese aus der Landschaft verschwinden, ist auch den Insekten ihre Nahrung entzogen. Deshalb ist eine Ursache des Rückgangs der Insekten die Umwandlung einer einstmals vielfältigen Kulturlandschaft in eine agrarische Industrielandschaft: Hecken und Säume sind verschwunden, auf den Getreidefeldern wächst außer Gerste oder Weizen so gut wie nichts und selbst das Grünland ist zur weitgehend monotonen Grassteppe geworden, in der selbst der Löwenzahn zur Seltenheit geworden ist. Eine weitere Ursache sind Insektizide und hier besonders die Gruppe der Neonikotinoide, die auf die Felder versprüht oder zur Behandlung des Saatgutes eingesetzt werden. Bei diesem sog. Beizen werden zu 80% Neonikotinoide eingesetzt. Mit dem Wachstum der Pflanze werden die Neonikotinoide in Blätter und Blüten transportiert. Von Bienen beispielsweise werden diese Gifte aufgenommen und führen dazu, dass sie sich nicht mehr orientieren können. Sie finden schlicht nicht mehr in ihren Bienenstock zurück und sterben letztlich.

Welche Folgen hat das Insektensterben für mich?
Etwa 35% unserer Nahrungspflanzen sind von der Bestäubung durch Bienen abhängig. Wenn die Blüten nicht durch Bienen bestäubt werden, würde es z.B. keine Äpfel, Birnen oder Kirschen geben. Deshalb ist die Biene unser wichtigstes Nutztier. Ohne Schweine- oder Hähnchenfleisch, auch ohne Milch und Eier können wir gut leben. Ohne Pflanzen die von der Bestäubung durch Wild- oder Honigbienen abhängig sind aber nicht. Außerdem stehen die Insekten am Anfang der Nahrungskette. Die meisten Vogelarten sind zumindest in bestimmten Lebensphasen von Insekten abhängig. Die Schwalbe, die Insekten im Flug fängt vollständig oder die Kohlmeise während der Jungenaufzucht. Deshalb dürfte der Rückgang der Insektenbestände die wesentliche Ursache sein, dass der Bestand der Brutvögel in Deutschland in den letzten 12 Jahren um etwa 15% abgenommen hat. Beispielsweise beim Star – Vogel des Jahres 2018 und nach wie vor weit verbreitet – haben wir seit Beginn dieses Jahrtausends bundesweit etwa 2,6 Millionen Brutpaare verloren.

Wer kann etwas gegen das Insektensterben tun?
Insekten haben kurze Lebenszyklen und hohe Reproduktionsraten. Deshalb können sich Insektenbestände sehr schnell wieder erholen, wenn wir ihre Lebensbedingungen verbessern. Und Lebensbedingungen verbessern bedeutet die Ursachen des Rückgangs beseitigen oder mindestens zurückdrehen. Konkret heißt das, dass die besonders gefährlichen Insektengifte wie die Neoniktinoide verboten werden müssen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass unsere Landschaft wieder vielfältiger wird und das auf vielerlei Weise. Es müssen wieder Hecken oder ungenutzte Säume angelegt werden, die wieder von typischen Kräutern und Stauden besiedelt werden können. Auf den Äckern müssen wieder Ackerwildkräuter und im Grünland wieder die typischen Wiesenpflanzen wie Löwenzahn, Wiesenschaumkraut oder Johanniskraut wachsen können. Und das geht nur, wenn auch weniger gedüngt wird, denn die meisten Blühpflanzen sind bei hoher Stickstoffdüngung gegenüber schnellwüchsigen Nutzgräsern nicht konkurrenzfähig und verschwinden.

Was sind Neonikotinoide? Und warum sind sie gefährlich?
Die Neonikotinoide gehören zu den Insektiziden. Wie der Namen vermuten lässt, werden Insektizide dazu eingesetzt, Insekten zu töten oder in zumindest einem ihrer Lebensstadien so zu schwächen, dass sie die Nutzpflanzen zu deren Schutz sie eingesetzt werden, nicht mehr nachhaltig schädigen können. Die Neonikotinoide, zu denen eine ganze Reihe von Wirkstoffen mit in der Regel unaussprechlichen Namen gehören, stören die Weiterleitung von Nervenreizen vor allem bei Insekten. Da die Neonikotionoide sehr gut von der Pflanze transportiert werden, werden sie in der Regel zur Behandlung des Saatgutes verwendet. Bei diesem sog. Beizen wird das Saatkorn umhüllt und sobald es keimt, werden die Neonikotinoide in die Blätter und Blüten der Pflanzen transportiert. Dort schädigen sie sowohl Insekten, die Pflanzenteile fressen, wie auch solche, die Pflanzen aussaugen. Sie stehen im Verdacht, etwa Bienen so zu schädigen, dass sie ihre Orientierung verlieren undnicht mehr zu ihrem Bienenstock zurückfinden.

Was ist Glyphosat und warum ist sein Einsatz für mich gefährlich?
Glyphosat ist ein Totalherbizid. Der Begriff Herbizid wurde aus den lateinischen Begriffen herba = Kraut oder Gras und caedere = töten gebildet. Glyphosat ist ein Wirkstoff, der in verschiedenen „Unkrautvernichtern“ eingesetzt wird. Das bekannteste ist das bereits 1971 zugelassene Mittel Roundup von der Firma Monsanto. Totalherbizide und hier vor allem jene mit dem Wirkstoff Glyphosat, sind die mit Abstand am meisten eingesetzten Pestizide, die von manchen auch verharmlosend Pflanzenschutzmittel genannt werden. Da Totalherbizide nicht
selektiv gegen bestimmten Pflanzen wirken, sondern alle grünen Pflanzen abtöten, werden sie im landwirtschaftlichen Bereich nur in der Regel vor der Aussaat und nach der Ernte eingesetzt. Eine Neuansaat ohne zu pflügen, geht in aller Regel nur bei vorherigem Einsatz eines Totalherbizides. Eine Zeit lang war man der Auffassung, diese nicht-wendende Bodenbearbeitung sei besonders bodenschonend, was neuere Studien allerdings in Zweifel ziehen. Außerdem werden Totalherbizide in großem Umfang von der Deutschen Bahn eingesetzt, um die Schienen unkrautfrei zu halten. Das Totalherbizide sich besonders drastisch auf Wildpflanzen und damit auch auf Insekten auswirken, liegt auf der Hand. Darüber hinaus stuft die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen ein.

Was kann ich selber tun?
Gepflasterte Vorgärten, Kiesbeete, „englische“ Rasenflächen – das sieht man heutzutage viel, nicht nur in Neubausiedlungen. Das ist übersichtlich und pflegeleicht. Es ist aber auch genau das Gegenteil von dem, was man unter einem insekten- und vogelfreundlichen Lebensraum versteht. Sie können selber etwas dazu beitragen, dass sich die Insekten bei Ihnen im Garten wieder wohlfühlen.

Eine Blumenmischung können Sie im Frühjahr aussäen: in den Balkonkasten, einen großen Topf auf der Terrasse oder eine rasenfreie Fläche im Garten. Harken Sie die Samen ein wenig ein, aber nicht zu tief. Bei regelmäßiger Bewässerung entsteht ein von Insekten gern angenommener Nahrungsplatz.

Sie wissen nicht, was Sie pflanzen sollen? Hier einige Tipps:

Wildstauden:

Reinfarn, Glockenblumenarten, gewöhnl. Eibisch, Ruhr-Flohkraut, flachblättr. Mannstreu, Schwarznessel, Borretsch, Blaukissen, Steinkrau, Malven, Fetthenne, Lungenkraut. Färber-Kamille

Küchenkräuter sind interessant für Insekten:

Thymian, Oregano, Majoran, Salbei, Kümmel, Rosmarin, Schnittlauch, Bohnenkraut

Weitere Kräuter:

Katzenminze, Lavendel, Ackersenf, Ysop, Zitronenmelisse, Baldrian, Natternkopf, Hundskamille, Ringelblume, Gundermann

Blumenwiesen (trockenwarmer Standort):

Hornklee, Espasette, Zaunwicke, Wiesen-Platterbse, Gamander-Ehrenpreis, Wiesensalbei, Kriechender Günsel, Witwenblume, Tauben-Skabiose, Wilde Möhre, Wiesen-Flockenblume, Rauher Löwenzahn, Knolliger Hahnenfuß, rundblättr. Glockenblume

Und Sie müssen nicht jedes Jahr neue Pflanzen kaufen:

Ziehen Sie verstärkt einige Stockrosen, Lupinen, Fingerhut. Sie vermehren sich gut, Jungpflanzen lassen sich prima umpflanzen, sammeln Sie Samen für das nächste Jahr.

Ein- und zweijährige Blumen und Nutzpflanzen:

Kornblumen, Klatsch-Mohn, echte Kamille, wegerichblättriger Natternkopf, Sonnenblume, Phacelia, Silberblatt, Nachtviole, div. Schöterich- und Goldlackarten, Muskateller-Salbei, Resede-Arten, Löwenmäulchen

Ranken- und Kletterpflanzen:

Rotfrüchtige Zaunrübe, Breitblättrige Platterbse, altes Efeu

Bäume und Sträucher:

Weide, Schlehe, Süßkirsche, Japanische Süßkirsche, Kirschpflaume, Weißdorn, Spitzahorn, Wildrose, Rote Johannisbeere, Brombeere, Himbeere, Stachelbeere, Blasenstrauch, Linde, Robinie Bienenbaum

Pionierpflanzen:

Gewöhnlicher Natternkopf, Wilde Resede, Gewöhnliche Kratzdistel

Mehr Informationen zum Insektensterben finden Sie auf der Homepage des Landesverbandes der GRÜNEN Niedersachsen: https://www.gruene-niedersachsen.de/dossier/insektensterben/